
Housing First richtet sich an wohnungslose Menschen, die seit mindestens einem Jahr ohne festen Wohnsitz sind oder im bestehenden Hilfesystem bisher nicht erreicht wurden – oft aufgrund vielfältiger Problemlagen. Sie gelten als dauerhaft vom Wohnungsmarkt ausgeschlossen und haben bislang keine Hilfen zur sozialen Teilhabe nach § 67 ff. SGB XII in Anspruch genommen.
Das Ziel: möglichst schnell in eine eigene, dauerhafte Wohnung zu ziehen – ohne Vorbedingungen – und dabei begleitende Hilfen freiwillig zu nutzen. Vor diesem Hintergrund hat der SKM elf Wohnungen erworben, die im Rahmen des Housing First-Projekts an Teilnehmende vermietet werden.
Wer kann teilnehmen?
Grundsätzlich kann sich jeder wohnungslose Mensch, der zur Zielgruppe gehört, für das Projekt bewerben – telefonisch, per E-Mail oder im persönlichen Kontakt. Auch Dienste der Wohnungslosenhilfe oder andere Institutionen können Interessierte an uns vermitteln.
Wie läuft die Aufnahme ab?
Nach einer ersten Prüfung, ob die Person zur Zielgruppe gehört, laden wir zu einem Informations- und Kennenlerngespräch ein. Dabei:
stellen wir die Rahmenbedingungen des Projekts vor,
klären gemeinsam, ob persönliche und formale Zugangsvoraussetzungen erfüllt sind,
prüfen mögliche Ausschlusskriterien,
und besprechen das weitere Vorgehen.
Anschließend entscheiden beide Seiten über eine Teilnahme. Fällt die Entscheidung positiv aus, wird eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen – als Grundlage für das gemeinsame Arbeiten im Projekt.
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Housing First – Konzept und Prinzipien
Das Grundbedürfnis eines jeden Menschen ist ein sicheres Zuhause, welches die Basis für eine Regeneration der Selbsthilfekräfte und die Aktivierung der vorhandenen Ressourcen darstellt. Dieses soll jedem Menschen ermöglicht werden. Denn jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Wohnung, das Recht auf Schutz, Geborgenheit, Privatsphäre und Normalität.
Housing First bezeichnet ein Konzept, das von Dr. Sam Tsemberis 1992 in New York entwickelt wurde, um die Obdachlosigkeit vor allem von Menschen mit komplexen Problemlagen zu bekämpfen. Aufgrund der hohen Erfolgsquote erlangte es wachsende Popularität und wurde bereits in weiten Teilen Amerikas, Kanada sowie einigen europäischen Ländern umgesetzt. Es richtet sich an langzeitwohnungslose Menschen die mindestens ein Jahr wohnungslos sind oder im bestehenden Hilfesystem nicht erreicht werden.
Hierzu gehören Menschen mit multiplen psychosozialen Problemlagen wie:
- Gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen
- Chronische und/oder psychische Erkrankungen
- Abhängigkeitserkrankungen
- Überschuldung
- Langzeitarbeitslosigkeit
- Justizielle Belastungen
Darüber hinaus muss der Wille bestehen, in einer eigenen Wohnung leben zu wollen. Das Recht auf Transferleistungen sowie die Bereitschaft und Fähigkeit zum gegenseitigen Austausch mit den angestellten Fachkräften muss sichergestellt sein. Die Fähigkeit einen Mietvertrag abzuschließen und die Bereitschaft zur Sicherung der Miete, Kranken- und Pflegeversicherung sowie Haftpflichtversicherung sollte ebenfalls vorhanden sein.
Folgende Grundprinzipien sind richtungsgebend für den Housing First-Ansatz
1. Prinzip: Wohnen ist ein Menschenrecht
Wir verstehen Wohnen als ein Menschenrecht, das man sich nicht verdienen muss. Daher ist die Teilnahme nicht an eine Verhaltensänderung oder Bereitschaft zu einer Therapie gebunden. Jeder erhält einen eigenen echten Mietvertrag, ohne Bedingungen.
2. Prinzip: Wahlfreiheit und Entscheidungsfreiheit
Unsere Beratung und Hilfe orientiert sich ganz eng an den selbst formulierten Zielen und Wünschen der Nutzer:innen. Sie selbst wählen, was, wann und wie es angegangen wird. Wir respektieren ihre Entscheidungen.
3. Prinzip: Trennung von Wohnen und Betreuung
Wohnung und Hilfe sind personell und organisatorisch voneinander getrennt. Wer die Wohnung verlieren sollte, kann weiter unterstützt werden. Wer die Hilfe beendet, darf selbstverständlich weiter in der Wohnung bleiben.
4. Prinzip: Recovery-Orientierung
Wir möchten die Teilnehmenden dabei unterstützen, wieder ein hoffnungsvolleres, selbstbestimmtes Leben zu gestalten. Daher helfen wir ihnen, ihre körperliche Gesundheit, ihr seelisches Wohlbefinden und ihre sozialen Kontakte so weit es geht zu verbessern.
5. Prinzip: Harm Reduction
Abstinenz, Therapie oder Verhaltensänderungen sind keine zwingenden Voraussetzungen für eine Teilnahme an Housing First – auch wenn es natürlich selbstbenannte Ziele der Teilnehmenden sein können und oft sind. Wir versuchen jedoch zunächst Wege zu erarbeiten, schädigende Einflüsse, die Wohlbefinden und Zielerreichung gefährden, zu reduzieren.
6. Prinzip: Aktive Beteiligung ohne Druck und Zwang
Die Teilnehmenden gestalten ihre Wege zur Zielerreichung aktiv und selbst. Wir helfen und unterstützen dort, wo es gebraucht wird. Dazu gehört, möglichst viel selbst in die Hand zu nehmen. Mit Drohungen, Bestrafungen, Zwang oder Sanktionen arbeiten wir grundsätzlich nicht.
7. Prinzip: Personenzentrierung
Bei uns stehen die Teilnehmenden im Mittelpunkt der Hilfe. Jeder Mensch ist anders und darauf stellen wir uns gerne ein. Jede Hilfe ist so individuell wie die an Housing First teilnehmende Person. Beratungen, Programme oder Maßnahmen von der Stange gibt es bei uns nicht.
8. Prinzip: Dezentraler Individualwohnraum
Wohnungen, die im Sinne von Housing First genutzt werden, sollten in ein normales Umfeld eingestreut sein. Befinden sich mehrere Wohnungen im gleichen Gebäude sollte ihr Anteil nicht höher als 20 Prozent sein. Damit wird eine Zentralisierung und Stigmatisierung vermieden: Die Adresse soll kein Hinweis darauf sein, dass ein Mensch zuvor wohnungslos war, wie es bei einschlägig bekannten Wohnheimen der Fall ist.
9. Prinzip: Flexible Hilfen so lange wie nötig
Wir helfen und unterstützen die Teilnehmenden so lange wie sie es möchten und brauchen. Jeder Mensch hat seine eigene Geschwindigkeit und seinen eigenen Rhythmus und daran orientieren wir uns. Unser Ziel ist es, den Teilnehmenden wieder in ein selbstbestimmtes Leben zu helfen.